Geschichte und Geschichten
Seit Jahrhunderten spielt der Most hier eine wichtige Rolle.
Schon die Kelten vertrauten auf die gesunde Wirkung des Mostes. Doch zu jener Zeit soll er noch ein recht grobschlächtiges Getränk gewesen sein. Erst die Römer führten die Kunst der Veredelung und der verfeinerten Produktion ein. Sie stellten Sortenreines her: pomacium (Apfelmost) oder piracium (Birnenmost).
Im 12. Jahrhundert gab es im Umfeld von Stift Seitenstetten ein adeliges Geschlecht, das den Birnbaum im Wappen trug und sich ‚von Birnbaum’ nannte. Das erste schriftliche Lob auf den Most stammt vom Minnesänger Neidhart von Reuenthal (1240). Seine erste Blütezeit erlebte der Mostviertler Most im 16. Jahrhundert, als Ritter Philipp Grünthaler bei Schloss Zeillern einen großen ‚Paumgarten’ anlegen ließ.
Auch im 18. Jahrhundert spielte der Most eine wichtige Rolle. Kaiserin Maria Theresia verordnete die Anpflanzung von Streuobstbäumen. Ihr Sohn und Nachfolger Joseph II. belohnte Landwirte mit einer silbernen Medaille, wenn sie über 100 Obstbäume setzten. Er ordnete auch an, bei jeder Hochzeit einige Obstbäume anzupflanzen.
Den nächsten Aufschwung erlebte der Most gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in der Zeit der Bauernbefreiung und Industrialisierung. Jetzt wurden Straßen und Eisenbahnnetze gebaut und der Most konnte leicht in fernere Regionen transportiert werden. Die Mostkeller wurden zur ‚Goldmine der Region’.
Die gute Zeit hielt bis nach dem 2. Weltkrieg an. Dann geriet der Most völlig aus der Mode. Bier, Wein und Limonaden liefen ihm dem Rang ab. Viele Obstbaumzeilen wurden gerodet, der Baumbestand nahm rapide ab.
Inzwischen wächst die Zahl der Obstbäume wieder, auch Dank großer Obstbaum-Pflanzaktionen. Über 300.000 schmücken das Land, von Jahr zu Jahr werden es mehr. Die Mostviertler Birnenmoste erleben eine Renaissance.
Der Most - Taufpate einer Region
Dieser Text-Bildband beinhaltet die mehr als 1000-jährige Kulturgeschichte des Mostes im Bezirk Amstetten, dem Herzstück des NÖ Mostviertels an der Wiege Österreichs. Bisher völlig Unbekanntes zum Most kommt zutage: Volkskundliches, Literarisches, Heiteres und Erstaunliches, in jedem Fall aber Wissenswertes. Seit jeher die Kultur dieses Landstriches nachhaltig prägend, war der Most einst Quelle des wirtschaftlichen Wohlstandes und wurde schließlich Taufpate dieser Region.
Herausgeber: Verein zur Förderung der heimatkundlichen Forschung im Bezirk Amstetten
Autor: Dr. Heimo Cerny, Bilder: Mag. Heiner Brachner; erschienen 1996, 2. Auflage 2004.
Der Preis: EUR 10,-
T 07472/9025-21027
Typisch: Die Vierkanthöfe
Diese Häuser hat der Most gebaut’, sagt man im Mostviertel. Und meint damit die prachtvollen Vierkanthöfe, die so typisch sind für das Mostviertel und die Gebiete im benachbarten Oberösterreich. Die großen, nach außen hin gut geschützten Anwesen vereinen Stallungen und Wohnhaus. Im Zentrum befindet sich ein großzügiger Innenhof.
Bei den Mostviertler Vierkanthöfen ist der Dachfirst auf allen Seiten gleich hoch. Meist ist das Gebäude zweistöckig. Baumaterialien sind Stein oder Ziegel. Ursprünglich waren die Fassaden nicht verputzt, auch heute noch findet man einige Vierkanter mit unverputzten Fassaden.
Über die Entstehung der Höfe gibt es verschiedene Theorien. Am wahrscheinlichsten ist es, dass die Bauform in Zeiten der Bedrohung und in Anlehnung an mittelalterliche Burgen entstand.
Interessant ist, dass auch die Klosteranlage von Stift Seitenstetten in Form eines Vierkanters erbaut wurde. Dieser Bau entstand während der Barockzeit im 18. Jahrhundert und verlieh dem Stift den Beinamen „Vierkanter Gottes“.